Warum braucht der Jemen Spenden? Als einer der ärmsten arabischen Staaten ist die Lage im Lande schon seit Jahrzehnten prekär. Jetzt kappen Krieg und Blockaden die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Es droht eine dramatische Hungersnot.
Aktuelle Situation
Die militärischen Fronten im Jemen verlaufen kompliziert. Im Kern handelt es sich wohl um einen Stellvertreterkrieg, in dem sich eine Allianz um Saudi-Arabien auf der einen Seite und die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen auf der anderen Seite gegenüberstehen. Auch Al-Kaida und der IS wollen vom Zerfall des staatlichen Ordnung profitieren. Die Huthis hatten vor einigen Jahren die Hauptstaat Sanaa und große Teile des Westens erobert. Saudi-Arabien möchte die Rebellen vertreiben – und nimmt dabei die Zivilbevölkerung in eine Art Geiselhaft.
Ein wichtiges Druckmittel aller Konfliktparteien ist die Blockade von Verkehrs- und Versorgungswegen. Häfen und Flughäfen sind teilweise geschlossen oder zerstört, Straßen und Grenzübergänge gesperrt. Die internationalen Hilfsorganisationen können dringend benötigte Lebensmittel und Medizin nur unter großen Schwierigkeiten ins Land bringen.
Jemen-Karte:
Hunger und Cholera
Angesichts der militärischen Lage sind die ohnehin schwächliche Wirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion fast gänzlich zusammengebrochen. Es fehlt insbesondere an Säuglingsnahrung und Medikamenten. Eine seit 2016 grassierende Cholera-Epidemie breitet sich immer weiter aus. Bis Mitte 2019 wurden weit über eine Million Infizierte und rund 3500 Todesopfer gezählt. Cholera ist eine Durchfallerkrankung, die sich durch verunreinigtes Trinkwasser ausbreitet und unbehandelt ein hohes Sterberisiko birgt.
Die UN mahnte bereits vor Jahren, dass mehr Spenden bzw. Hilfsgüter zu den betroffenen Menschen gelangen müssen, weil ansonsten eine Hungersnot mit zahlreichen Opfern drohe. Gerade in den Wintermonaten verschärft sich die Situation in den Bergregionen, zumal die Energiepreise in unerschwingliche Höhen gestiegen sind.
Entstehung des Jemen
Jemen besitzt – anders als die reichen Nachbarstaaten – nur wenig Erdöl oder andere Rohstoffe. Allerdings war das Land im Süden der arabischen Halbinsel schon vor der Kolonialzeit von erheblicher strategischer Bedeutung. Für Großbritannien war vor allem der Hafen Aden eine wichtige Station auf dem Seeweg nach Indien.
Auch das Osmanische Reich, Ägypten und die Sowjetunion verfolgten in der Region eigene Machtinteressen. Die Konsequenz waren ständige militärische Konflikte. Ein von 1962 bis 1970 dauernder Bürgerkrieg hinterließ rund 200.000 Todesopfer. Die staatliche Tradition begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Gründung des Königreiches Nordjemen. Das britisch kontrollierte Südjemen wurde offiziell 1967 unabhängig, bevor es 1990 zur Vereinigung beider Teile kam.
Eckdaten zum Staat Jemen
Der Jemen ist etwa so groß wie Spanien und besitzt gut 27 Millionen Einwohner. Die Nordgrenze weist zum verfeindeten Nachbarn Saudi-Arabien, die Ostgrenze zum Oman. Ein großer Teil des Landes ist von einem über 2000 Meter hohen Hochland und von Gebirge bestimmt. Da nur im Gebirge ausreichend Niederschläge für eine Landwirtschaft fallen, wohnen hier die meisten Einwohner. Richtung Nordosten geht der Jemen in eine Wüstenlandschaft über.
Die Bevölkerung besteht fast ausschließlich aus muslimischen Arabern. Der Islam ist Staatsreligion und die Gesellschaft ausgesprochen traditionell ausgerichtet.
Größte Städte des Landes sind die Hauptstadt Sanaa (knapp zwei Millionen Einwohner), al-Hudeida (gut 600.000), Taizz (gut 600.000) sowie Aden (550.000).
Faktoren der Unterentwicklung
Jemen zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und nimmt bei verschiedenen Entwicklungsindizes hintere Plätze ein. Rund die Hälfte der Menschen arbeitet in der unproduktiven und stets von Wassermangel bedrohten Landwirtschaft. Einzige nennenswerte Exportgüter sind Erdöl und Erdgas (allerdings in bescheidenen Mengen). Der früher einnahmenstarke Tourismus ist aufgrund der schlechten Sicherheitslage fast völlig zusammengebrochen.
Fazit: Sowohl den Einwohnern als auch dem jemenitischen Staat fehlen Einnahmequellen. Hier ist eine strukturelle Abhängigkeit von Spendengeldern und Hilfslieferung gegeben. Hinzu kommt eine ungünstige Bevölkerungsstruktur: Aufgrund hoher Geburtenraten besteht rund die Hälfte der Einwohner aus Kindern und Jugendlichen, für die im Erwachsenenalter zu wenige Arbeitsplätze vorhanden sein werden.
Auch andere Indikatoren zeigen ein äußerst problematisches Bild. Rund ein Drittel der Einwohner sind Analphabeten, davon deutlich mehr Frauen als Männer. Die Lebenserwartung liegt bei gut 60 Jahren, was vor allem dem mangelhaften Gesundheitssystem geschuldet ist.
Selbst ohne die aktuellen Kriegswirren ist der Jemen in besonderem Maße auf Spenden angewiesen.